Tausche Autobahn gehen Landstraße


Adel Tawil hat sich erfolgreich entschleunigt und sich dabei selbst gefunden

Von Steffen Rüth

Das volle Interview findest du in unserer aktuellen Printausgabe, DIE DU HIER BESTELLEN KANNST!


ADEL TAWIL

Spiegelbild

(BMG/Warner)

Bereits erschienen

 


ADEL TAWIL LIVE

17.06.2023 München
24.06.2023 Hamburg
02.07.2023 Karlsruhe
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15.10.2023 Leipzig

Die vergangenen Jahre des Adel Tawil waren gelinde gesagt turbulent. Vor vier Jahren kommt seine Tochter zur Welt, dann führt die Pandemie zu einer formidablen Versumpfung. Letztlich bleibt Adel, 44, nichts anderes übrig als eine sehr selbstkritische Auseinandersetzung mit sich selbst. Das Album Spiegelbild, sein viertes als Solokünstler, ist das Ergebnis dieser Klausur. Die Songs klingen immer noch poppig und vorwiegend fulminant, also so, wie man es von Hits wie Lieder oder seinen früheren Erfolgen an der Seite von Annette Humpe bei Ich + Ich gewöhnt ist. Aber inhaltlich klang der Sohn eines Ägypters und einer Tunesierin, der in Berlin- Charlottenburg zu Hause ist, noch nie so ernst und emotional. So geht es in Nirvana, dem letzten Lied, das mit seinem langjährigen Weggefährten, dem vor einem Jahr mit 55 nach schwerer Krankheit verstorbenen ´Boogieman´ Andreas Herbig schrieb, ums Jenseits, in Niemandsland ums Weglaufen, und beim Videodreh zum Song Feuer & Eis brannte der Sänger höchstselbst lichterloh, es ging zum Glück glimpflich aus. An einem recht frühen Vormittag sind wir mit Adel Tawil per Video verabredet.

 

Adel, noch ganz schön früh für deine Verhältnisse. Ich dachte immer, du wärst ein Nachtmensch.

Ach, das war einmal (lacht). Ich bin schon seit Stunden auf den Beinen. Um 8 Uhr hatte ich heute Morgen Yoga, 75 Minuten lang.

 

Du frönst also jetzt dem gesunden Leben?

Ja, das habe ich mir fest vorgenommen. Ich esse keinen Mist mehr, nur noch ganz selten Fleisch und trinke aktuell auch keinen Alkohol. Yoga mache ich allerdings schon lange, was neu für mich ist, ist der Kraftsport. Ich liebe es, mich an den Gewichten auszupowern und gezielt Muskelgruppen zu trainieren. Du darfst das mit dem Pumpen nur nicht übertreiben, sonst geht es zu Lasten der Beweglichkeit.

 

Du klingst jedenfalls wie dein eigener Personal Trainer. Dabei warst du doch früher eher so gemütlich drauf. Hat dir dein eigenes Spiegelbild nicht mehr gefallen?

Es gab tatsächlich Phasen während Corona, da war ich nahe an der Verwahrlosung. In der Zeit kam ich auch auf die Idee mit dem Albumtitel. Ich saß alleine zu Hause, hatte keinen Bock mehr, mich zu rasieren, keine Lust mehr, in den Spiegel zu schauen, keine Lust auf gar nichts. Als Musiker haben wir sowieso oft keine richtige Struktur im Leben, sind bis nachts im Studio, bestellen Pizza, trinken Bierchen – wir sind wie kleine Kinder, die auf ihrem Musikspielplatz abhängen.

 

Unter Corona und den Folgen litten so gut wie alle. Steckte bei dir möglicherweise mehr dahinter?

Vielleicht war es ein bisschen eine Midlife-Crisis. Plötzlich war da die Suche nach dem Sinn. Ich hatte Gedanken wie „Wer bin ich eigentlich?“. Da war einfach nur noch Leere, und ich habe gemerkt, wie abhängig ich von Konzerten und speziell vom Applaus bin. Bei aller Liebe für meine Arbeit - gesund ist das ja sicher nicht, das wusste ich.

 

Und jetzt?

Arbeite ich daran, mich selbst zu finden, jenseits der Figur, die ich auf der Bühne repräsentiere. Das war und ist eine Reise zu mir selbst. In der Vergangenheit gab es nie Zeit, oder ich habe sie mir nicht genommen, um mich selbst kritisch zu betrachten und mich zu fragen, was ich vom Leben erwarte und wo ich hin will. Jetzt nehme ich mir die Zeit, um mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Ich schaffe mir einen gesunden Ausgleich zu meinem Beruf. Während der Pandemie habe ich nicht darauf geachtet, was ich esse, ich habe zu viel Alkohol getrunken, zu viel geraucht. Ich musste wirklich die Reißleine ziehen und bin froh, dass ich das rechtzeitig geschafft habe.

 

Gefällst du dir jetzt besser?

Ja. Früher habe ich oft überspielt, wenn ich nicht gut drauf war. Ich wollte unbedingt in der Öffentlichkeit funktionieren. Heute versuche ich zu vermeiden, dass es mir überhaupt schlecht geht. Work-Life-Balance ist hier das Stichwort. Ich muss auf mich aufpassen. Zum Beispiel, indem ich mir Freiräume schaffe, Zeit mit der Familie verbringen. Meine Tochter ist jetzt vier. Sie gibt mir Halt und hat mich auch in der schwersten Zeit einigermaßen in der Spur gehalten.

 

Die neuen Lieder sind musikalisch weiterhin klar Pop-Musik, inhaltlich aber oft ganz schön dunkel. Es geht ums Sich-verloren-Fühlen, um Einsamkeit, Zweifel, Verzweiflung oder auch um toxisches Beziehungsverhalten wie in Feuer & Eis.

Jetzt im Nachhinein fällt mir selbst auf, wie düster das Album geworden ist. Normalerweise gibt es in meinen Liedern immer Hoffnungsschimmer, doch gerade Feuer & Eis, das von der ungesunden Abhängigkeit von zwei Personen zueinander handelt, kommt ohne dieses „Alles wird gut“-Mantra aus. In dem Song habe ich meine Komfortzone wirklich verlassen. Denn eigentlich sehe ich es als meine Aufgabe, Licht und Positives in die Welt zu tragen, und nicht einen Song, in dem es um einen Streit ohne Lösung oder Versöhnung geht.

 

So ist das Leben eben auch bisweilen.

Natürlich. Ich merke der Platte an, dass sie in einer schwierigen Zeit entstanden ist. Ich war ein Egoist, ich kam mit mir selbst nicht klar. Deshalb bin ich umso glücklicher, dass mein Leben wieder funktioniert, auch wenn es keinen Garantieschein gibt, und du für das Leben auch generell keinen Beipackzettel mitgeliefert bekommst.

 

Wenigstens geht ein textlich besonders deprimierender Song wie Autobahn mit seiner Dance- und EDM-Produktion musikalisch gut ab.

Oh ja, dieser Kontrast ist genau nach meinem Geschmack. Der Text entstand schon 2015. Ein Jahr später brach ich mir den Halswirbel und wusste, ich will auch mal einen Gang runterschalten. Inzwischen will ich oft gar nicht mehr auf der Autobahn sein, sondern irgendwo gemütlich über eine Landstraße trödeln.


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