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Harte Botschaften mit Zuckerguss


OMD sind zurück. Ihre lyrische Angriffslustigkeit haben sie nicht verlernt.

"Kunst füttert deinen Kopf, dein Herz und deine Seele.“

(Andy McCluskey)

 

„Wir brauchen Kunst als Unterstützung und als Herausforderung. In einer Welt, die politisch immer weiter durchdreht, kann Kunst für Stabilität sorgen.“

(Paul Humphries)

 


OMD

Bauhaus Staircase

(World In Red/Membran/The Orchard)

Bereits erschienen

Bauhaus Staircase heißt das erste Album von Orchestral Manoeuvres In The Dark – kurz OMD – seit sechs Jahren, und man verrät nicht zu viel, wenn man den beiden ungleichen Liverpooler Synthiepop-Legenden Andy McCluskey (64) und Paul Humphries (63) einmal mehr erstklassige Arbeit attestiert.

 

Von Steffen Rüth

 

Andy, du singst im Titelstück, wie gern du jemanden in einem Bauhaus-Treppenhaus küssen würdest. Kommst du voran mit dem Projekt?

Andy McCluskey: Aktuell nur sehr mäßig. Ich bin momentan wieder Single, doch der Wunsch, in Dessau oder einer der anderen Bauhaus-Städte in einem solchen wunderbaren Gebäude der Frau, die ich liebe, einen innigen Kuss zu geben, der ist sehr stark. Der Song selbst handelt von der Schönheit und der Verführungskraft von Kunst. Ja, ich denke, ein Kuss auf einer Bauhaus-Treppe würde mich zum glücklichsten Menschen der Welt machen.

 

Hat euch die Bauhaus-Bewegung als kunstliebende Kids in Liverpool schon früh fasziniert?

McCluskey: Paul und ich sind sehr unterschiedliche Menschen. Ich war 1978 kurz davor, auf die Kunsthochschule zu gehen, er war 1978 kurz davor, eine Stelle bei der British Telecom anzutreten. Stattdessen haben wir Orchestral Manoeuvres In The Dark gegründet. Ich liebe an Bauhaus, dass es sich um richtig praktische, handfeste Kunst handelt. Der Bauhaus-Stil ist bis heute extrem alltagstauglich, er hat nichts Esoterisches oder Abgehobenes. Es war ein Akt der Schande, dass die Nazis Bauhaus 1933 verboten. Aber das ist symptomatisch gewesen. Totalitäre Regime haben Angst vor Kunst. Denn Kunst ist eine Kraft, die niemand kontrollieren kann. Und auf unserem Album ist Bauhaus eine Metapher für diese Kraft. Kunst füttert deinen Kopf, dein Herz und deine Seele.

Paul Humphries: Wir brauchen Kunst als Unterstützung und als Herausforderung. In einer Welt, die politisch immer weiter durchdreht, kann Kunst für Stabilität sorgen.

 

Kleptocracy ist das wütendste Stück auf eurem Album. Es ist ein Angriff auf die politische Klasse. Was erzürnt euch so?

McCluskey: Früher fand die Korruption unterm Tisch statt. Heute ist für alle offen zu sehen, wie käuflich und verkommen unsere Politik geworden ist. Ein Journalist geht in die saudi-arabische Botschaft, kurze Zeit später wird er dort in Scheiben zerschnitten. Wir regen uns kurz auf und fragen dann: „Wie viele Flugzeuge möchtet ihr denn gerne von uns kaufen?“ Ich werde wütend, wenn ich sehe, dass gierige Fußballer das dreckige Geld von Ländern wie Saudi-Arabien annehmen. Sowohl mein Fußballclub, der FC Liverpool, als auch Pauls Team Manchester United stehen zum Verkauf. Wir sind besorgt, dass jemand aus einem Land zuschlägt, mit dem wir politisch unglücklich sind. Was soll man machen, wenn das Lieblingsteam von Despoten gekauft wird? Aufhören, es zu unterstützen?

 

Ganz schwierige Frage.

McCluskey: Total. Ich war ja schon superaufgebracht, als Jordan Henderson, der Kapitän des FC Liverpool und ein starker Befürworter der LGBTQ-Bewegung, nach Saudi-Arabien gegangen ist, wo Homosexualität illegal ist. Er meinte, er wolle das System von innen bekämpfen. Was für ein dummer Quatsch.

 

Ist es eure Spezialität, knallharte Botschaften in total mitsingtaugliche Melodien zu verkleiden?

Humphries: Wir können die schrägsten und angriffslustigen Lieder schreiben, wir kippen dann aber einen ganz dicken Zuckerguss darüber. Bis dieses Prinzip alle verstanden hatten, sind eine Menge Jahre ins Land gezogen. Als wir Teenager waren, verachteten wir Standardsongtexte, die völlig leer und bedeutungslos waren. Das war alles Müll.

 

Also habt ihr lieber ein Antikriegslied wie Enola Gay an die Spitze der Charts gebracht, oder liefert jetzt in Anthropocene einen Abriss der Menschheitsgeschichte in knapp sechs Minuten.

McCluskey: Die Geschichte unserer Spezies hat mich schon immer begeistert. Sicher, das Thema ist anspruchsvoll, aber Popmusik kann ruhig auch mal etwas herausfordernd sein.

 

Du sagst am Ende, dass in einer Million Jahren die menschliche Population auf der Erde null betragen wird.

McCluskey: Wir werden uns glücklich schätzen können, wenn wir tatsächlich noch so lange durchhalten. Im Moment sieht es ja mal wieder so aus, als könnte es deutlich früher mit uns vorbei sein.

 


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